Elegant gedrechselt
Elegant gedrechselt
13. Januar 2009
Die Widmung gab dem Hochhaus seine Form vor: eine Ellipse mit 70 Metern Längsdurchmesser auf einem 65 Meter tiefen, fast quadratischen Sockel. Die Architekten Neumann + Partner und das Büro ARTEC lösten die Rundung in polygonale Segmente auf und entwickelten eine komplexe Fassade aus geschossweise versetzten, vorspringenden Loggien. Ihre transparenten, lichtreflektierenden Fronten schaffen jeder Wohnung ihren eigenen, exquisiten Wintergarten und bilden einen schönen Kontrast zu den tiefen, teils eternitverkleideten Fensterbändern dahinter.
Widmungsgemäß: 275 Wohneinheiten in 67.5 Meter Hochhaus auf 65 Meter tiefem Sockel.
Fotos: Anna Blau
Wien und das Hochhaus haben eine ambivalente Geschichte. Es dauerte lang, bis der Bautyp in der Stadt Fuß fassen konnte. Als die Expo Wien-Budapest ins Wasser fiel, war der Damm gebrochen. Jenseits der Donau entstanden Wohnhochhäuser und auf der Platte formierten sich die Sky-Skraper zur Donau-City. Auch am Wienerberg bildete sich ein Cluster.
Das Grundstück an der Kundratstraße liegt in der Verbindungsachse von Matzleinsdorferplatz und Wienerberg. Seine Widmung sah einen 67,5 Meter hohen, ellipsenförmigen Baukörper vor, der sich lose in die Reihe der anderen Hochhäuser einfügen sollte. 70 Meter verläuft seine Hauptachse in einer Diagonalen über einen fast quadratischen, dreistöckigen Sockel. Auch er ist 65 Meter tief und füllt das Grundstück komplett aus. Lang fand es keinen Käufer, dann entschied sich die GPA/WBV zur Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens hier ein Wohnhochhaus mit 275 Einheiten zu errichten.
„Als Hochhaus-Profi freute es mich sehr, einmal ein Wohnhochhaus umzusetzen. Dabei geht es im Gegensatz zum Büro, wo vor allem Flächeneffizienz und Flexibilität eine Rolle spielen, mehr um Behaglichkeit, Schallschutz, Sicherheit“, so Architekt Heinz Neumann. „Mich interessierte am meisten, wie es angenommen wird.“ Vor Fertigstellung waren alle Wohnungen vergeben. Die Voraussetzungen für das weithin sichtbare Referenzobjekt – mehr Scheibe als Turm, selbst in der Querachse noch 26 Meter tief – waren denkbar schlecht.
Mit einer kleinteilig strukturierten Fassade gelang es Neumann + Partner und dem Büro ARTEC, daraus ein elegantes Gebäude zu drechseln. Wie Glieder eines Kettenarmbandes fügen sich die Loggien in die Fassade. Ihr Glas reflektiert das Sonnenlicht, schemenhaft zeichnet sich dahinter das Leben der Bewohner ab.
Der elliptische Umriss wurde in polygonale Segmente aufgeteilt, die das glatte Oval brechen, ihm klare Kanten, Plastizität und Tiefe verleihen. Souverän bezieht die Scheibe ihre exponierte Stellung am Horizont. Demokratisch lassen die rückspringenden Fensterbänder und vorstehenden Wintergärten alle Wohnungen am Wien-Blick aus der Vogelperspektive teilhaben, ohne den Anspruch auf Privatheit zu ignorieren. Eine Schmalseite der Loggien ist mit dunklem Eternit verkleidet. Das schützt vor Nachbars Einblick. Die anderen Seiten sind durchgehend verglast. Das erzeugt ein Schwebegefühl am Über-Eck-Panorama
Foyer
Wie auf dem Präsentierteller steht das Haus auf einer Geländekante über dem Frachtenbahnhof Matzleinsdorf. In den Sockel wurden tiefe Höfe eingeschnitten, die belichtete Trakte schaffen. Hinter den Fenstern im ersten Stock liegt ein Altenwohnheim, am Glasband im zweiten Stock sind Büros, darüber zieht die Ellipse einen Bogen in den Himmel. Jede Loggia ein bunter, kleiner Kosmos aus Pflanzen, Wäschetrocknern, Sitzgelegenheiten. „Der Brandschutz war ein Problem. Schließlich konnten wir ihn mit Sprinkleranlagen an den Fassaden lösen“, so Neumann.
Im Süden ist Martin-Luther-King-Park. An dieser grünen Oase liegt der Hauptzugang, über dem sich die Erker des Sockels zum eternitverkleideten, schräg vorspringenden Bauteil bündeln. Er bildet im Erdgeschoss ein Vordach und schafft so einen halböffentlichen Platz. Ein paar Stufen führen vom Gehsteig in die belebte Passage mit Supermarkt und Lokal. Im Foyer des Wohnturms ebnen gelbgrüne Wände, gelbgrüne Postkästen und eine gelbgrüne Bank den Weg zu den Liften. (...) Isabella Marboe
Den vollständigen Beitrag und weitere Bilder finden Sie in architektur.aktuell
Geschäfts-, Büro- & Wohnhaus
Kundratstraße 4-6
Wien
Bauherr
GPA / WBV
Wien
Planung
ARTEC Architekten & NEUMANN+Partner
Team ARTEC Architekten
Bettina Götz & Richard Manahl
Ronald Mikolics
Julia Beer
Wolfgang Beyer
Helmut Lackner
Michael Werner
Anna Wolf
Ivan Zdenkovic
Generalplanung
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Statik
FCP
Wien
Haustechnikplanung
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Elektroplanung
TB Gruber
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Bauphysik
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Elementfassaden
SCHÜCO
Alukönigstahl
Grundstücksfläche
4.345 m2
Nutzfläche
29.898 m2
Bebaute Fläche
3.946 m2
Bruttogeschoßfläche
57.806 m3
Wohnungen
275
Planungsbeginn
2003
Baubeginn
2005
Fertigstellung
2007