Von oben herab
Von oben herab
8. December 2009
Sichtbare Strukturen Fotos: Paul Ott
Das Linzer Schloss hat mit seiner tief im Mittelalter wurzelnden Geschichte manchen Umbau erlebt. Für die vorläufig letzte Baumaßnahme am Schlossberg hat die Erhebung von Linz zur Kulturhauptstadt Europas 2009 eine entscheidende Rolle gespielt. Immerhin hat man mit dem Entschluss zum Neubau des 1900 durch einen Brand zerstörten Südflügels eine seit dieser Katastrophe durch unterschiedlichste Stadtplanungsvisionen geisternde Idee aufgegriffen und verwirklicht. So ist aus der einstigen, im Lauf der Zeit als kaiserlicher Wohnsitz, Lazarett, Gefängnis, Kaserne und zuletzt als Museum adaptierten Burg „das größte Universalmuseum Österreichs an einem Ort" geworden.
Pfade zwischen den Ebenen
Die Gewinner des im Vorfeld der Planungsvergabe europaweit ausgelobten Architekturwettbewerbes, HoG architektur aus Graz, haben ihrem in der Realisierung weitgehend durchgehaltenen Projekt den stärksten Wesenszug des Schlosses: seine Lage am steilen, unmittelbar neben und dennoch hoch über Stadt und Fluss aufsteigenden Hang zu Grunde gelegt. Eine für die ursprünglichen Errichter in ihrer von Bedrohungen geprägten Welt lebenswichtige Qualität des Ortes: die Fortsetzung des jäh aufragenden Felsens von mächtigen, kaum überwindbaren Mauern erzeugt heute, da der Tourismus alle Wege ebnet, das unschlagbare Verkaufselement der privilegierten Aussichtslage. HoG architektur haben allerdings eine Bresche in die teilweise freigelegten und, wo nötig, fachgerecht ergänzten mittelalterlichen Festungsmauern geschlagen, was die unkomplizierte Belieferung der neuen, in den Tiefen von Mauern und Berg ruhenden Museumswerkstätten gewährleistet. Ein unauffällig gehaltener, von einer Metall-Gitterstiege ergänzter Durchbruch daneben ermöglichst es überdies den vom Linzer Tummelplatz her kommenden Besucherinnen und Besuchern, das Museum im Bereich seines neuen Haupteinganges an der Südseite zu betreten, anstatt den Weg durch das alte Tor und den östlichen Hof des Schlosses zu nehmen.
Dessen der Stadt zugewandte Flanke war seit dem Abbrand des historischen Südflügels von einer Mauer geschlossen, deren Oberkante die Höhenlage der neuen Eingangsebene definiert hat. Hier hat man nun auf einer in unterschiedliche Bereiche zonierten Aussichtsplattform die Gelegenheit, etwas zu tun, was bis dato das - nicht ungefährliche - Erklimmen der Mauerkrone vorausgesetzt hätte: den Blick auf die Dächer der Stadt, die sich daraus erhebenden Türme und das von Industrieanlagen und den Hügeln des Mühlviertels gesäumte Donautal zu genießen. Damit ist der Grundgedanke, mit dem das Projekt die Wettbewerbsjury überzeugt hat, erklärt.
Innenaufnahme des Museums
Den vollständigen Beitrag und weitere Bilder finden Sie in architektur.aktuell
Auch das darauf bauende Konzept des neuen Südflügels ist denkbar einfach angelegt. Der Neubau hat drei Bereiche: den vom historischen Bestand geprägten Unterbau, die „neutrale" Verteilerzone der Eingangsebene und das von zeitgenössischer Technik erzählende Obergeschoß.
Das Eingangsgeschoß ist folgerichtig transparent ausgebildet. Hier findet sich, von einem großzügigen überdeckten Freibereich flankiert, das Foyer, aus dem sich die Wege in das Museum verzweigen. Auch das Restaurant ist ebenso von hier wie von seiner breiten gedeckten Terrasse her zugänglich. An der östlichen Stirnseite des Südflügels gelegen und mit einer kleinen Ostterrasse ausgestattet, bietet es seinen Gästen einen sorgfältig den Bedürfnissen der Gastronomie angemessenen Raum, in dem angesichts seines mit Witterung und Tageszeit beständig wechselnden Hintergrundes auf den notorischen Ausstattungskitsch verzichtet wird.
Ein mit schräg gestellten Stützen in Erscheinung tretendes Stahltragwerk ruht auf der massiven Schlossmauer und stemmt das mit Streckmetall zum einfach lesbaren Körper zusammengefasste Obergeschoß. In diesem ist, über einen Erschließungskern auch außerhalb des eigentlichen Museumsbetriebes erreichbar, ein Saal mit noblen Proportionen untergebracht. Eine akustisch wirksame abgehängte Decke und ein Vorhang, über die gläserne, der davor liegenden Erschließungszone zugewandte Längswand gezogen, sorgen für die vielfältige Bespielbarkeit des Saales. Dessen südliche, ebenfalls gläsern aufgelöste Längsseite aber schaut auf die Stadt hinunter, wobei der Ausblick und - vor allen Dingen! - die Sonneneinstrahlung von der vorgesetzten Streckmetallfassade deutlich gedämpft werden. (...)
Romana Ring
Schlossmuseum
Linz Südflügel
2009
Linz, Oberösterreich
Bauherr
LIG Landes Immobilien GmbH
(Gesellschaft des Landes Oberösterreich)
Planung
HoG architektur
Martin Emmerer
Clemens Luser
Hansjörg Luser
Projektteam Architektur
Robert Clerici
Lukas Negenborn
Ingomar Findenig
Werner Bauernfeind
Statik
DI Johann Birner
Graz
Haustechnik / Elektro
TB Köstenbauer & Sixl
Unterpremstätten / Graz
Ausstellungsgestaltung
argeMarie miedl.schilcher.steger
Linz
Lichtplanung
conceptlicht
Mils / Innsbruck
Bauphysik / Akustik
Rosenfelder & Höfler
Graz
Brandschutz
Brandsicher - Bernhard Haister
Raaba / Graz
Stahlbau
Unger Stahlbau GmbH
Oberwart
Fassaden
Kreuzroither Metallbau GmbH
Dach
Innocente GmbH KG
Vorchdorf
Leichtbau
Perchtold Trockenbau GmbH
Gmunden
Portalkonstruktionen
M+E Metallbau GmbH
Pasching
Aufzug
Kone AG
Linz
Grundstücksfläche
10.000 m2
Nutzfläche
7.650 m2
Bebaute Fläche
ca. 2.600 m2
Umbauter Raum
41.000 m3
Planungsbeginn
7/2006
Baubeginn
7/2007
Fertigstellung
7/2009
Baukosten
ca. 25 Mio EUR
Kosten pro m2
ca. 2.500,- EUR
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