® Walter Ebenhofer
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Wohnbau Anton-Bruckner-Strasse

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Sede
Wels, Austria
Anno
2013

Braucht sozialer Wohnungsbau die Architektur? Ist doch von der allgemeinen Ausstattung einer Anlage über die Mindestgrößen der Räume bis zu den bauphysikalischen Kennwerten der Bauelemente ohnedies alles von den jeweiligen Wohnbauförderungsstellen vorgeschrieben. Manche Bundesländer machen durch die Vorlage der Projekte in Gestaltungsbeiräten sogar die Einhaltung ästhetischer Mindeststandards zur Bedingung für die Vergabe von Förderungsmitteln. Was könnte da noch schiefgehen? Oder anders gesagt: wie viel Innovationsspielraum bleibt denn da selbst für engagierte Architekturbüros? Hertl Architekten aus Steyr haben für die Linzer EBS in Wels ein Wohngebäude geplant, das sich allen Vorgaben der Branche, inklusive dem allgegenwärtigen ökonomischen Druck beugt und dennoch ein erfrischend eigenständiges Bild bietet.

Das Haus erhebt sich viergeschossig an der Kreuzung der Anton Bruckner- mit der Wallererstraße. Die Gegend ist von Wohnbauten kleinen und mittleren Maßstabes und durch die Konzentration mehrerer Schulen geprägt; nicht weit entfernt, im Norden, liegt das Welser Krankenhaus; die historische Innenstadt im Süden, jenseits der Bahntrasse, ist selbst zu Fuß in etwa zwanzig Minuten erreichbar; ein angenehmes Wohnumfeld also, das die Entscheidung, hier geförderte Eigentumswohnungen zu errichten, plausibel macht. Der Bauplatz selbst ist nicht groß. Das über einem rechteckigen, parallel zur Anton Bruckner Straße ausgerichteten Grundriss entwickelte Gebäude füllt ihn, unter Einhaltung der Abstandsbestimmungen, fast zur Gänze aus. Ein Eckhaus mit geringen Distanzen zu den Nachbarn verlangt nach genau jenem kompakten Körper, den die Sparsamkeit in Errichtung und Betrieb des Hauses längst geboten hat. Hertl Architekten haben daher das gesamte Raumprogramm, auch die privaten Freiräume, mit einer rundum gleichen Hülle gefasst. So gewinnt das Haus Volumen, Eindeutigkeit und eine heiter gestimmte Imposanz. Die mit leichter Hand über die Fassaden verstreuten Öffnungen unterschiedlicher Größe signalisieren Eigenständigkeit bei gleichzeitiger Akzeptanz der auch hierorts den Ton angebenden gedämmten und verputzten Außenwand. Erst auf den zweiten Blick sieht man, wie groß der Spielraum ist, den das scheinbar absichtslose Muster den Architekten in seiner Ausarbeitung gelassen hat: die Öffnungen sind in Größe und Lage sorgfältig auf die Himmelsrichtungen und die Anforderungen der hinter den Fassaden liegenden Räume abgestimmt.

Der Haupteingang in das Haus liegt an der annähernd von Ost nach West verlaufenden Anton Bruckner Straße. Eine kleine Loggia wird von einem Fahrradabstellraum, dem Müllraum und dem Stiegenhaus flankiert. Die Eingangsebene ist weitgehend den Gemeinschaftsräumen, darunter einer dem Kinderspielplatz benachbarten Waschküche vorbehalten. Nur an der Südwestecke haben Hertl Architekten eine Wohnung mit einem kleinen eigenen Garten angeordnet. Der Erschließungskern liegt in der Mitte der Nordfassade. Die zweiläufig um einen Aufzug geführte Stiege ist natürlich belichtet. Sie erschließt jeweils vier Wohnungen im ersten und im zweiten sowie drei Wohnungen im dritten Obergeschoss. Daraus ergibt sich eine im Vergleich zur Größe des Objektes erhebliche Vielfalt an Wohnungstypen, die eines gemeinsam haben: eine eigene, nach Süden orientierte Loggia, die dank der durchgehenden Lochfassade echte Privatheit bietet. Die kleineren Wohnungen liegen alle an der Südseite des Hauses, die größeren schauen nach jeweils drei Himmelsrichtungen, was an sich schon eine im Wohnbau selten gewordene Qualität darstellt. Die Grundrisse sind, wie das Haus selbst, äußerst kompakt, alltagstauglich und tatsächlich barrierefrei konzipiert. Hier fehlt kein Raum, weder für die Schuhe und Mäntel noch für das Bügelbrett oder den Staubsauger; Hertl Architekten haben aber auch keinen Kubikzentimeter vergeudet. Doch vermitteln gerade die geräumigen Wohnküchen im unmittelbaren Zusammenhang zu den Loggien den Nutzerinnen und Nutzern ein Gefühl der Großzügigkeit, das gut zur gediegenen Ausstattung des Objektes passt. Helle Holzböden, unauffällige Keramikoberflächen in den Nassräumen und Fenster aus Kunststoff gehören mittlerweile zwar ebenso zum Kanon des geförderten Wohnungsbaues wie die unvermeidliche Tiefgarage; doch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Fußbodenheizung und eine Solaranlage zur Unterstützung von Heizung und Warmwasseraufbereitung heben den gebotenen Komfort doch deutlich über den Durchschnitt.

So ist also zu hoffen, dass die eine oder andere Familie ihre Kinder hier nicht der Not sondern der Neigung gehorchend großziehen wird: dieses Haus bietet seinen Bewohnerinnen und Bewohnern jedenfalls eine faire Chance, die aus der Dichte der Stadt erwachsenden Vorteile zu genießen, ohne den legitimen Wunsch nach angemessener Privatheit hintan stellen zu müssen. Wohnbauten dieser Art sind von großem Wert, will man versuchen, die verheerenden Folgen der umfassenden Zersiedelung Österreichs einzudämmen. Es fällt wohl sehr schwer, den vielen, die sich das Heil vom eigenen Heim im Grünen erhoffen, zu sagen: träume, was Du willst, aber nicht (mehr) auf Kosten der Allgemeinheit. Zu groß ist nicht zuletzt der Leidensdruck, den städtebaulich fragwürdige und in ihrer Ausgestaltung unbrauchbare Wohnbauten ausüben. Die immer enger werdenden Budgets haben die Situation nicht verbessert: es finden sich inzwischen namhafte Architekturbüros, die Wettbewerbsbeiträge mit Schlafzimmern ohne Fenster abliefern. Aus dieser Doppelmühle fehlgeleiteter Fördergeldströme auf der einen Seite und sich selbst gebärenden Mangels auf der anderen könnte man sich vielleicht mit einem beherzten Schlag befreien; oder durch das beharrliche Setzen vieler kluger Züge, wie das Wohnhaus der Hertl Architekten für die Linzer EBS einer ist. Sie sehen: Architektur macht den Unterschied. Gerade in Situationen, die angeblich ohne Alternative sind (Romana Ring).

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