Reanimation einer ehemaligen Druckerei
Berlin, ドイツ
- 建築家
- Sehw Architektur
- 場所
- 14163 Berlin, ドイツ
- 年
- 2017
Reduce, reuse, recycle, ein nachdenklich machender Beitrag im Deutschen Pavillon bei einer der letzten Architekturbiennalen in Venedig. Und dann steht da dieses Gebäude in Berlin Zehlendorf seit Jahren leer und hat schon einige Häutungen hinter sich, bevor es sich nun noch einmal gehäutet hat, noch mal reused wurde. In den Siebziger Jahren als Gewerbe- und Produktionsgebäude erbaut, folgte es seiner funktionalen Zweckbestimmung: Personalbereich im durch die Topografie belichteten UG, große Anlieferung mit Maschinenhalle im EG und Büros im OG. Überall viel Licht. Klares Raster mit starken Unterzügen zur Stützenfreiheit, sichtbar geschalter Beton ohne besonderen Anspruch. Dann die erste Häutung: Irgendwann wurde das Gebäude für den Nutzer zu klein. Es wurde als Botschaftsgebäude der Mongolei genutzt. Die wollte es dann umbauen, doch blieb das Projekt auf der Strecke liegen, eine unvollendete Häutung, um bei dem Bild zu bleiben. Zurück blieb ein Gebäude, das dem Verfall preisgegeben wurde, zwischenzeitliche Wasserschäden im Innern durch geplatzte Rohrleitungen, Graffiti, Fassadenschäden durch überlaufende Dachrinnen, Übernachtungsgäste, die ihre Spuren hinterließen, vernagelte Fensteröffnungen, nachdem alle Scheiben eingeschlagen waren, komplett zugewuchert. Und das in einer Stadt mit Wohnungsknappheit mitten in gehobener Wohnlage.
Ein Fall für die Abrissbirne? Und stattdessen zwei historisierende Stadtvillen auf das Grundstück gequetscht, wie sie das Publikum in vergleichbaren Wohnlagen gerne nachfragt? Nein, ein Fall für die nächste Häutung! Eine vergleichbare Ausnutzung wäre heute nicht mehr genehmigungsfähig. Und trotz der Verwahrlosung war die Substanz noch intakt. Und vor allem hat sie einen besonderen Charme. Das leerstehende Haus wurde auf seinen Kern zurückgebaut, die Häutungen blieben sichtbar durch den groben Beton der Konstruktion, die Oberlichtkuppeln im Dach, die Werksteintreppe als erkennbares Kind ihrer Zeit und mit einem Augenzwinkern die Fahnenmasten im Vorgarten.
Heute wird das Haus nach acht Monaten Bauzeit zu Wohnzwecken genutzt. Im Erdgeschoß sorgt ein eingeschobener Patio als Zonierung zwischen zwei Wohnbereichen, zwischen Erdgeschoß und ersten Obergeschoß wurde ein Deckenfeld zugunsten eines Luftraums entfernt. Es entstehen in jede Richtung interessante Sichtbeziehungen. Dort, wo früher der untergeordnete Personalbereich war, findet sich nun eine separate Wohnung wieder, deren Wohnraum in eine terrassierte, bepflanzte Landschaft übergeht. Der Koch-, Eß- und Wohnbereich mit Bibliothek steckt sich im Erdgeschoß weit in die Tiefe des Gebäudes durch, erhält ganz unterschiedliche Tageslichtstimmungen. Die Reihung der Unterzüge lässt die alte Maschinenhalle erlebbar bleiben. Notwendige Zimmer werden als Holzbox vom rohen Bestand mit einer deutlichen Fuge abgesetzt, bleiben flüchtig, eher Verpackungskiste oder Möbel statt Raum. Im ersten Obergeschoß befindet sich der private Bereich mit Schlafzimmer und Bad, die durch ein Einbaumöbel getrennt werden und wahlweise offenes Raumkontinuum sind oder durch eine Schiebetür geschlossen werden können. Die Galerie dient als Arbeitsraum, der sich auf die Dachfläche des niedrigeren Baukörpers erweitert. Steht man vor dem Haus, hat man den Eindruck, dass die Nachbargebäude relativ dicht stehen, von innen sieht man durch die akzentuierten Öffnungen nur Grün.
Waren es bisher nur funktionale Häutungen, kommt nun tatsächlich noch eine neue Haut dazu. Um den geltenden Vorschriften zu entsprechen, erhielt das Gebäude eine mineralische Wärmedämmung und eine neue Haut in Form einer vorgehängten hinterlüfteten Holzfassade aus sägerauhen, schwarz lasierten Brettern. Die neue Haut homogenisiert die vorhergegangenen Häutungen und die unterschiedlichen Volumina nach außen. Verschiedene Breiten der Bretter machen es möglich, dass an den Fensteröffnungen keine Anpassungen und Schnitte erforderlich werden. Die Fenster sitzen entweder außenbündig in der Fassade oder ganz innen, was sowohl von außen als auch von innen eine starke Plastizität spürbar macht. Ausgewählte Öffnungen sind mit Lamellen gefüllt, sind gleichzeitig Filter für private Bereiche und Sonnenschutz. Das Schwarz der Fassade fließt teilweise nach innen in die Küche, in lange Sideboards vor den Fenstern. Dadurch wirken die Wände noch dicker, die Haut noch stärker, widerstandsfähiger. Schwarz, grau und weiß sind die Dominanten, die in ausgewählten Bereichen mit Gelb- und Grüntönen bzw. Blautönen akzentuiert werden. Der rohe Beton der alten Decken findet seine Entsprechung als sichtbarer Estrich auf dem Fußboden.
Der Außenbereich führt das Spiel mit Ebenen, mit Terrassierung, auch mit der Materialität und Farbigkeit fort. Ein schwarzes Eingangselement, Beton, schwarzer Kies, Holzdecks, unterschiedliche Ebenen, einmal als Wasserbecken für das anfallende Regenwasser, einmal als fast artifizielle geometrische Rasenfläche. Der Rest sind Gräser und Stauden, die unterschiedliche farbige Blühakzente setzen und einige mächtige Bestandsbäume, die den Charakter des Gebäudes als schwarze Kiste im Grün prägen.
Das Gebäude lebt wieder und hat wohl auch noch einige Leben, einige Häutungen vor sich. Das ist doch schon mal was in unserer Wegwerfgesellschaft.
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